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Fange ich mal halbwegs chronologisch an und stelle die Yamaha RGX 620DZ vor, die ich ca. Oktober 2007 das erste Mal in meinen Patschhändchen halten konnte. Diese E-Gitarre aus dem mittlerem Preissegment gehört zu der RGX Reihe aus ungefähr Strat-förmigen Solidbodies mit meist zwei Humbuckern bestückt. Ein illustrer Benutzer dieser Reihe ist Victor Smolski, der Saitenhexer der deutschen Metal-Formation Rage. Die RGX ist aber keine reine Metal-Axt, sondern sehr vielseitig einsetzbar, aber dazu gleich mehr.

Gesamtvorderansicht

Das DZ in der Modellnummer steht für die Ausstattung mit einem Floyd-Rose-licensed Vibrato mit Locking-Nut, die passiven Pickups sind eine Yamaha Eigenanfertigung mit Alnico-Magneten. Die Elektrik komplettieren ein Volumen- und ein Toneregler und ein 3-Wegeschalter. Der Volumeregler sitzt relativ weit hinten, so dass Volumeswells nicht besonders einfach sind. Der Vibratohebel ist recht lang, ohne Gewinde und wird durch eine kleine Schraube gut in seiner Halterung arretiert. Die Stellschraube für den Halsstab ist unter einer kleinen Abdeckplatte zu erreichen, die in den Abschluss des Griffbretts nach dem 24. Bund eingelassen ist.

Der Hals ist mit vier unsymmetrisch sitzenden Schrauben befestigt, die großzügige Aussparungen für das untere Horn machen das Spielen in den obersten Bünde aber problemlos möglich. Das dunkle Griffbrett hat keine eingelassenen Bundmarkierungen zwischen den Bünden, nur kleine weiße Punkte auf der Oberseite. Das ist vielleicht für Gitarrenlehrer nicht so gut geeignet, die ihren Schülern Fingersätze demonstrieren wollen, für den Spieler selbst reichen die vorhandenen Markierungen völlig aus. Die Bünde haben Mediumstärke, sind also nicht so breit wie die bei Metal-Äxten sonst weit verbreiteten Jumbo-Bünde aber auch nicht solche Modelleisenbahnschienen wie bei einer normalen Strat. Die Saitenlage lässt sich ziemlich niedrig einstellen, dadurch und durch das recht flache Halsprofil hat die RGX eine sehr leichte Bespielbarkeit, die an die bei Metallern beliebten Ibanez Gitarren erinnert.

Frontalansicht des Korpus

Soweit also alles ziemlich Standard. Wenn wir uns der Kopfplatte nähern, stoßen wir allerdings auf ein nettes Detail, das ich sonst noch bei keiner anderen Marke gesehen habe: die Locking-Nut ist mit einem Schnellverschlusshebel versehen, der ähnlich wie die Schnellverschlüsse an den Achsen von Rennradgfelgen funktioniert (siehe die Bilder weiter unten). So sind die Saiten für gröbere Stimmaktionen mit einem Griff gelöst und genauso schnell wieder festgeklemmt. Das lästige Kramen nach einem Schraubenzieher oder Geldstück oder gar einem Imbusschlüssel erübrigt sich also. Da fragt man sich, warum die Hersteller nicht schon früher drauf gekommen sind!

Eine weitere Besonderheit sind die Köpfe der Mechaniken, die nicht abgeflacht, sondern rund und geriffelt sind. Die Befürchtung, dass man an diesen mit verschwitzen Fingern leicht abrutscht, hat sich zum Glück als unbegründet herausgestellt. Ich beschließe die Bestandsaufnahme der Hardware mit den Seiten und der Rückseite. Dort finden wird Standard-Gurtpins, die ich durch die allseits bekannten Schaller Security Locks ausgetauscht habe, eine versenkte Kabelbuchse (abgewinkelte Klinkenstecker sind also nicht) und zwei schwarze Plastikdeckel für das Elektrikfach und die Aussparung für die Vibratofedern. Letzterer ist leider nicht eingelassen und die Schraubenköpfe stehen auch ein wenig über, da besteht das Potential, hässliche Kratzer auf glatten Oberflächen zu hinterlassen, auf denen man die Gitarre zu unvorsichtig ablegt.

Zum Handling gibt’s sonst nicht viel zu sagen: die Gitte ist mittelschwer, nicht so leicht wie eine durchschnittliche Ibanez aber auch nicht so ein Bleiklotz wie eine Paula, und gut ausbalanciert. Beim Spielen im Sitzen habe ich die Gitte sowohl auf dem rechten als auf dem linken Bein und im Stehen mal höher, mal tiefer (”Niemand will deinen Sack sehen!“) gehängt, das alles ist kein Problem.

Schrägansicht des Korpus

Kommen wir also zum Wichtigsten: wie klingt das gute Stück denn? Bevor ich in blumigen Beschreibungen ausarte, die niemanden helfen, sage ich einfach mal, dass die RGX sowohl jazzige Licks und cleane Akkorde als auch wummernde Heavy-Riffs und das meiste dazwischen gut meistert. Auch ein crunchiger oder cremiger Bluessound ist kein Problem, auch wenn man mit der Pickupbestückung natürlich nicht den typischen nasalen Strat-Halspickup Sound erwarten kann. Auch für den Telecaster-Twang ist diese Gitarre nicht gemacht, dazu hat der Sound zu viele Mitten. Vielleicht wäre eine Splitschaltung hier hilfreich, aber leider führen die eingebauten Humbucker nur zwei Adern nach außen, so dass dies nicht ohne weiteres möglich ist. Die Pickups sind zwar nicht schlecht, könnten aber m.M. nach mehr Output haben. Pinch-Harmonics sind hiermit viel schwieriger hinzubekommen als auf meiner Zweitgitarre mit EMG-Pickups. Ich überlege mir, irgendwann die beliebte Kombi von Seymour Duncan SH-2 und SH-4 einzubauen, aber so schlecht sind die vorhandene Pickups auch wieder nicht, dass ich nicht damit leben könnte.

Ein Vibratosystem bringt natürlich auch immer einen gewissen Verlust an Sustain mit sich, meine andere Gitarre ist eine Schecter Damien 6 mit fester Brücke und die ”singt“ einfach ein wenig mehr und länger. Nach dieser ganzen Kritik könnte man jetzt denken, die Gitarre klingt total besch…, aber das ist überhaupt nicht der Fall, sonst hätte ich sie mir nicht gekauft. Die RGX hat einen schönen Ton für viele Einsatzzwecke, wer mehr will, muss halt scho’ a weng mehr ausgeben. Soundbeispiele, die meine Urteil untermauern, liefere ich hoffentlich demnächst nach.

Update: die ersten Soundbeispiele findet ihr im nächsten Blogpost!

Detailbild Pickups und Vibrato

Mein abschließendes Urteil lautet also: viel Gitarre für nicht viel Geld (Straßenpreis Mitte 2009 ca. €400-500). Ich würde diese Gitarre erst verkaufen, wenn ich die Mittel für ein erheblich höherwertiges Stück hätte das mir eine mindestens ebenso gute Bespielbarkeit bietet. Und gut schaut sie auch noch aus. Die Lackierung meines Exemplars nennt sich wohl Trans Dark Grey und hat im Licht einen leichten Grünschimmer, der auf den Fotos nicht so gut rauskommt. Im folgenden findet ihr noch ein paar Detailfotos, die ich heute Nachmittag aufgommen habe.

Rock on!

Detailbild  Potis und Vibrato

Halspickup und Halsstabdeckel

Oberer Teil des Griffbretts

Seitenansicht oberer Hals und Bünde

Detailansicht Kopfplatte und Mechaniken

Detailansicht Locking-Nut mit Schnellverschluss

Rückseite der Kopfplatte mit Modell- und Seriennummer

Halsansatz und Vibratofachdeckel

Rückansicht mit Kabelbuchse, Elektronik- und Vibratofachdeckel